Zum zweiten Mal in diesem Sommer hier. Einmal als notwendige Rast auf dem beschwerlichem Weg ins Kaschubische. Diesmal aber weil es beim letzten Mal so schön war.
Mescherin mit einem Ausländeranteil drei Mal so hoch wie Dresden. Vor vielen neu gebauten Häusern parken Autos mit polnischen Kennzeichen. Man sieht schon, dass das nicht der Fließenleger ist. „ZS“ das heißt Szczecin in Z wie Westpommern. Polen bauen hier Häuser. Sie bauen auf die Zukunft Europas und ihre Kinder gehen hier in zweisprachige Kindergärten.
Das ist nun unser Geheimquartier am Achterwasser, das wir nur unter Schwüren der Verschwiegenheit mieten durften. Erst nach einer kleinen Inselradtour wussten wir was das bedeutet. War beim letzten Besuch in Usedom zwischen zwei Häusern immer noch ein weiteres Haus gebaut worden, so sind die Zwischenräume jetzt noch mal geviertelt, Hier aber haben die Hühner zwischen ihren Apfelbäumen so viel Auslauf wie zehn Investitionsobjekte. Si machen natürlich Krach. Und sie haben Blick bis zum Achterwasser, obwohl sie ihn nicht schätzen werden. Das Wasser ist schwarz vom Sturm und der Himmel schwarz von Kites die coole Typen klaglos übers Wasser ziehen.
Eine Inselradtour ist nicht ungefährlich, Oder sie wissen hier bei der Radwegeplanung nichts von butterweichen, öldruckverstärkten Magura-Bremsen.
Während die Sonne über Gnitz untergeht gibt es Dorsch im Café Knatter
Gleich am ersten Tag nach Lütten Ort. Über den Deich vom Achterwasser her, begegnet uns als erstes der Zweimaster Orion, der dem Maler Otto Niemeyer-Holstein nicht nur maritime Freude brachte, sondern während der Nazizeit auch die Option der Flucht nach Skandinavien und während der DDR-Zeit ein Einkommen statt verkaufter Bilder: 1 Stunde Achterwasser-Tour pro Person 1 Mark.
Nur mit Führung darf man sie wieder betreten: die Urzelle seiner Siedlung, den alten S-Bahn-Wagen und das Tabu, sein Atelier. Ich kann mich täuschen, aber als die Sprache auf sein Schicksal als „Entarteter“ Künstler kam, nahm man es beim letzten Besuch vor sieben Jahren als Geschichte, doch heute rückt es wieder in die bedrückende Nähe politischer Parolen.
Genau überm Balkondach des Reethäuschens endete die Schlechtwetterfront über Skandinavien. Überm Lieper Winkel war noch Sommer. Dahin!
Man kann den Winkel ganz gut auf holprigen Wegen mit dem Rad umrunden. Ohne Verbote des Bürgermeisters. Dafür gibt es alte Katen und noch ältere Weiden. Und ganz am Ende Fischers Ruh.
Von hier sieht man übers Achterwasser Ückeritz. Und vor allem gibt es eine Baedecker Empfehlung wie sie schlichter nicht sein kann. Aber mehr braucht man tatsächlich nicht für ein erstklassiges Fischgericht
Mehr gibt es eigentlich zu diesem Tag nicht zu sagen,außer dass es in Świnoujście kaschubische Gurken gibt und dass man Zeit hat Dinge zu tun, die man auch zu Hause tun kann: lesen, schreiben und bissel für das Konzert am Sonntag in Lauchhammer mit Ensemble cum passione üben…
Dass nach drei Tage die Sonne wieder schien, war wie ein Wunder. Frühstück im Freien. Dann die größte Radtour der Usedom- Woche. Rund um Gnitz.
Denkt nicht, dass das CDF ist. Oder seht ihr Kreidefelsen. Hatte zwar Farben mit aber selbst für eine Zeichnung war es in der Ganztagesnacht der Buchenwälder zu kühl. Also kann man mit der ersten Rast auch warten bis zum Café Gnitzer Seelchen, alles wie einer Land Lust Zeitung entsprungen. Aber gut gelaunte Mädchen schmeißen den Laden. Das will hier schon was heißen. Auf Gnitz gibt es nickende Ja-Sag-Maschinen, die im Stillen vor sich hin eiern, belanglose Hünengräber und sogar eine Marienkirche.
Richtig warm wird es bei einem Stopp am Restaurantschiff, wo es mit dem absolut schlagfertigen Wirt schon mal theologische Gespräche geben kann. Warum haben Adam und Eva in den frühen Darstellungen Bauchnabel?
Ach, und dann gibt’s doch noch eine Zeichnung.
Von Ückeritz mit dem Rad die ganzen Dingensbäder entlang, nur um dieses eine Foto zu knipsen.
Vielmehr gibt es auch dazu nicht zu sagen, außer das zwischen den ganzen Villen und feinen Hotels immer wieder Oasen der Gastlichkeit zu finden sind. Kleine Schuppen zwischen die Dünen förmlich gekauert, mit einem kulinarischen Angebot von überwältigender Schlichtheit und großartigem Geschmack. Matjes mit etwas Zwiebel und einer warnen knusprigen Semmel. Zack. Rien ne va plus.
Hier wird viel Fahrrad gefahren. Meist elektrisch, ältere Menschen zu Tausenden, es sei ihnen gegönnt. Mit KinderAnhängern, in denen ihre Hunde mitreisen, weil sie den Affenzahn der EBikes nicht lange durchhalten würden. Einmal eine junge Frau vor uns, auch mit Anhänger. Sie sang ein Kinderlied. So ein Blödsinn, dachte ich schon: einem Hund im Anhänger ein Kinderlied zu singen.
Und der Abschiedsblick aufs 8er Wasser